Marco Meyer Moves KCG Healthy Badger KraftImpuls

Trainieren, um gut auszusehen, führt in eine Sackgasse!

Mein Nachbar John hat mich gefragt warum ich diese komischen Übungen mache. Ich hatte gerade Skin the Cat und Scapula Push Ups hinter mich gebracht.

Skin The Cat

Scapula Push Ups

Die Antwort für mich war klar: Damit ich eine stabile Schulter habe, um so noch mehr Skills lernen zu können, Prehab, etc.

Bevor ich antworten konnte meinte er: “Bekommt man dadurch pralle Schultern?”

Erkennst Du den Unterschied?

John macht Bewegungen, um Muskeln zu bekommen. Ich trainiere Muskeln, um Bewegungen zu machen. Genauer gesagt mache ich Bewegungen, um Bewegungen zu machen.

Ich weiß, das hört sich jetzt ein wenig kompliziert an. Hier ist ein Beispiel:

Ich arbeite gerade an meinen Muscle Ups an den Ringen.

Für die Muscle Ups müssen meine Arme stark in der internen Rotation sein. Zusätzlich mache ich eine Ausgleichsübung, die sich Cuban Rotations nennt. Sie trainiert die externe Rotation. Diese Übung mache ich nicht, um muskuläre Schultern zu bekommen, sondern, um muskuläre Dysbalancen bzw. Verletzungen zu vermeiden.

Ich trainiere eine Bewegung, die mir hilft eine neue Bewegung bzw. Fertigkeit zu erlernen.

Für jemanden wie John macht das natürlich keinen Sinn. Er will einen Sixpack und definierte Arme haben, möglichst schnell.

Menschen, die nach einem besseren Aussehen streben denken anders als Menschen, die ihren Bewegungsspielraum erweitern wollen.

Wer hat recht?

Das kann ich Dir nicht sagen. Es kommt auf die Person an. Arnold Schwarzenegger hat Bodybuilding gut benutzt. Der Bewegungsansatz hätte ihn wahrscheinlich nicht dahin gebracht, wo er jetzt ist.

Aber Du bist nicht Arnold Schwarzenegger. Du bist Du. Und wenn Du nicht gerade ein professioneller Bodybuilder bist, dann wird Dir der Bewegungsansatz, in meinen Augen mehr nützen, als Aussehen.

Trainieren, um gut auszusehen, führt in eine Sackgasse! Stell Dir vor, Du siehst endlich so aus, wie Du immer wolltest. Und jetzt? Wie geht es weiter? Noch besser aussehen geht nicht. Sackgasse!

Bewegungsspielraum erweitern oder gut aussehen?

Wenn Du Aussehen als eine Messlatte nimmst, dann hast Du auf lange Sicht verloren.

Ich finde so eine Art Training nicht nur langweilig, sondern auch ungesund und narzisstisch. Warum sonst hast Du überall Spiegel bei McFit?

Versteh mich nicht falsch. Gut aussehen hat seinen Platz. Aber ich sehe es eher als ein cooles Nebenprodukt, das entsteht, wenn Du einem Trainingsplan folgst, der darauf fokussiert Deinen Bewegungsspielraum zu erweitern.

Hier ist ein Beispiel: 

Tom und Lisa trainieren beide das erste Mal in ihrem Leben. Tom strebt nach Aussehen und Lisa will ihren Bewegungsspielraum vergrößern.

 
(Die coolen Figuren hat mein Kollege Ryan innerhalb von 20 Minuten gezeichnet)

Wenn Tom trainiert, dann sagt er “ich trainiere heute meinen Rücken”. Lisa sagt “ich arbeite heute an meinem Klimmzug”. Tom spricht von Muskeln, Lisa von Bewegungen. Tom benutzt Gewichte und Kabelmaschinen. Lisa benutzt Ringe.

Nach 6 Monaten hat Lisa ihr Ziel erreicht. Sie kann einen Klimmzug. Tom hat auch sein Ziel erreicht. Er hat mehr Rückenmuskeln.

Beide sind kräftiger geworden. Lisa kann einen Klimmzug im vollen Bewegungsradius, von ganz unten hängend, bis ganz oben. Tom nicht. Dafür hat Tom proportional mehr Muskelmasse im Rücken aufgebaut.

Lisas nächstes Ziel ist der Muscle Up. Toms nächstes Ziel ist es noch mehr Muskelmasse aufzubauen.

10 Jahre später…

Tom und Lisa sehen beide gut aus (aus ihrer Sicht).

Lisa hat jetzt Skills gelernt, die Kraft erfordern, wie zum Beispiel den Muscle Up und den Pistol Squat. Und Skills, die Balance erfordern, wie zum Beispiel den einarmigen Handstand und Slacklining. Ihr Spagat sieht aus, wie der von Jean Claude Van Damme.

Sie hat ihr Rhythmusgefühl und ihre Koordination auf ein Level gebracht, das ihr erlaubt bei allen Aktivitäten vorne mitzuspielen (denk an Freizeitaktivitäten mit Freunden).

Ihr Körpergefühl und -kontrolle hat sich verzehnfacht. Nackenverspannungen, Knie- und Rückenschmerzen sind deshalb verschwunden. Ihre Körperhaltung ist optimal und muskuläre Dysbalancen hält sie auf ein Minimum.

Tom macht dieselben Bewegungen wie vorher. Er kann sie jetzt öfter wiederholen mit mehr Gewicht.

30 Jahre später…

Tom ist unbeweglich und hat Gelenkprobleme. Tom ist demotiviert, aber die Routine zieht ihn ins Fitnessstudio. Seine Muskeln sind nicht mehr so definiert und groß wie früher. Die besten Jahre sind vorbei.

Lisa kann sich gut bewegen und sieht ihrem Alter entsprechend gut aus. Sie lernt weiterhin neue Bewegungsmuster, entdeckt immer wieder etwas Neues und spielt regelmäßig mit ihren Kindern und Enkelkindern im Garten. Tom kann nicht mithalten.

Sei wie Lisa, nicht wie Tom.

Vergrößere Deinen Bewegungsspielraum und warte nicht, bis es zu spät ist.

6 Gedanken zu „Trainieren, um gut auszusehen, führt in eine Sackgasse!“

  1. Hi Marco,

    starker und vor allem nachvollziehbarer Artikel. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich eher für die Optik trainiere und die auch nicht wie gewünscht ist….
    Hast du denn einen Tipp, wie man vorgehen kann, um genau die Athletik, Balance etc. zu trainieren? Sprich, an einem Tag dann wirklich nur Klimmzüge üben!?
    Würde mich über eine Antwort freuen.

    Danke dir und mach weiter so!
    Chris

    Antworten
    • Danke für Deinen Kommentar, Chris! Das ist eine gute Frage.

      Jeder ist genetisch unterschiedlich. Jeder bewegt sich tagsüber unterschiedlich. Das liegt am Beruf, der Sportart, Fitness, etc. Somit hat jeder einen unterschiedlichen Bewegungsspielraum.

      Ich kann also nicht einen Trainingsplan auf die Beine stellen, der allen gleichzeitig hilft ihren Spielraum zu erweitern. Du hast jetzt also 3 Möglichkeiten:

      • Du machst es auf eigene Faust (mehr dazu unten)
      • Du trainierst mit mir 1-zu-1 Online (Schreib mir eine E-Mail)
      • Du trainierst mit einem Personal Trainer (er muss Bewegung als Fokus haben)

      So würde ich an Deiner Stelle vorgehen, wenn Du es auf eigene Faust probieren willst:

      1. Lies Dir diese beiden Artikel durch (sonst verstehst Du die Begriffe nicht):
      2. Überlege Dir, auf welche Themen Du die nächsten 6 Wochen fokussieren möchtest. Die Themen könnten Kraft, Beweglichkeit, Koordination, Handbalance, etc. sein.
      3. Fokussiere auf das Thema was Dein Körper braucht, nicht das, wo Du schon gut drin bist. Meist ist es das, worin Du schlecht bist.
      4. Such Dir Bewegungsmuster oder Sportarten aus, die dieses Thema am besten abdecken. Hier sind einige Beispiele:
        • Kraft:
          • Bewegungsmuster: Klimmzug, Dips, Handstand Liegestütze, Muscle Ups, Pistol Squats, Deadlift, etc.
          • Sportarten: Ringen, Olympisches Gewichtheben, Breakdancing, Capoeira etc.
        • Beweglichkeit:
          • Bewegungsmuster: Spagat, Straddle Ups, Pidgeon Stretch, Romanian Deadlift, Bridge, etc.
          • Sportarten: Yoga, Taekwondo, Ballet, etc.
        • Handbalance:
          • Bewegungsmuster: Krähe, Handstand laufen, Handstand (Info zum Kurs siehe unten in P.S.), einarmiger Handstand, etc.
          • Sportarten: Turnen, Capoeira, Breakdance, etc.
      5. Arbeite Dich von unten nach oben vor. Vor dem Muscle Up solltest Du Dips schaffen, davor Liegestütze, etc. In einem Sportverein kümmert sich meist der Trainer darum.
      6. Verharre nicht an einem Bewegungsmuster. Nutze die Bewegung, nicht umgekehrt. Wenn Du z.B. fünf Klimmzüge kannst, dann erhöhe den Schwierigkeitsgrad / die Komplexität, nicht die Wiederholungszahl.

      -Marco

      Antworten
  2. Hallo Marco,

    ich finde Deinen Artikel sehr polarisierend. Man könnte dieses Szenario genauso gut anders herum aufstellen. Dann hätte der “Bewegungsmensch”, der im Leistungssport geturnt hätte, im Alter kaputte Gelenke, kann sich nicht mehr bewegen und wird fett, während derjenige, der mit Verstand Bodybuilding betrieben hat, es bis in hohe Alter immer noch tut, so wie ja auch der von Dir genannte Arnold Schwarzenegger.

    Warum muss man denn hier ein “Entweder-Oder” vorgeben?
    Warum nicht z. B. Bodybuilding machen und z. B. zusätzlich am Handstand arbeiten (so mache ich es)? Oder umgekehrt? Ich sehe nicht, dass sich das gegenseitig ausschließt.

    Das ist jedenfalls meine Meinung zu dem Thema. Damit stehe ich wohl auch nicht alleine. Die meisten, die Bodybuilding mit Verstand propagieren, haben auch und vor allem den Gesundheitsaspekt mit auf dem Schirm, wie z. B. ein sehr erfolgreicher Fitness-Blogger, -Podcaster und -Buchautor, der unter dem Motto “Nackt gut aussehen” bzw. “Looking good naked” agiert.

    Viele Grüße
    Michael

    P.S.: Deine bisherigen Artikel fand ich eigentlich immer sehr gut.

    Antworten
    • Danke für Deinen Kommentar Michael!

      die Zeichnungen sollen das ganze nur verdeutlichen. Natürlich wird nicht jeder Bodybuilder Gelenkprobleme haben und fett werden. Das war nur ein Beispiel. Genauso wie jeder Bodybuilder nicht automatisch Tom heißt.

      Ich glaube, dass Du nicht verstanden hast, was ich mit Bewegungsspielraum bzw. Bewegungsansatz meine. In diesem Artikel erkläre ich es ausführlich.

      Turner streben nicht unbedingt danach ihren Bewegungsspielraum zu erweitern, sondern sie wollen besser im Turnen werden. Themen, die sie vernachlässigen sind z.B. Improvisation oder Reaktionsgeschwindigkeit, etc. – Dementsprechend sind sie kein gutes Beispiel für „Bewegungsmenschen“.

      Bodybuilding und Handstand sind lediglich Subkatetgorien von Bewegung. Es gibt noch so viel mehr (siehe unten).

      Ich glaube Du redest von Mark Maslow. Seine Artikel und auch sein Buch „Looking Good Naked“ finde ich sehr gut. Habe selber zwei Gastartikel auf seinem Blog geschrieben. Welche Meinung er zu diesem Thema hat, weiß ich nicht.

      In diesem Artikel geht es nicht darum wer fett und ungesund ist und wer nicht. Es geht darum, dass Aussehen in eine Sackgasse führt und es eine Alternative gibt. Ich beschreibe es nochmal anders:

      Wenn Du einem Bewegungsansatz folgst, dann hast Du unendlich viele Möglichkeiten in denen Du Dich weiterentwickeln kannst (denk an Kraft, Beweglichkeit, Reaktion, Balance, Rhythmus, Gleichgewicht, Orientierung, Koordination, etc.) UND obendrauf hast Du den coolen Nebeneffekt und siehst gut aus.

      Umgekehrt funktioniert es nicht. Gut aussehen heißt nicht automatisch, dass Du Dich gut bewegen kannst. Viele versuchen jedoch Reverse-Engineering. Sie bauen sich einen Körper, der so aussieht als würde er etwas können, dabei kann er nix – nur gut aussehen eben. Das ist als wenn Du Dir ein Auto baust, dass nicht fahren kann, aber cool aussieht. Sie könnten ihre kostbare Trainingszeit stattdessen auch in das verbessern ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten investieren – eben ihren Bewegungsspielraum erweitern.

      Ich gebe hier kein “Entweder-Oder” vor – sondern eine andere Denkweise (Bewegung vs Aussehen). Ob Du sie annimmst ist Dir überlassen.

      Marco

      P.S. Es freut mich, dass Dir meine Artikel bislang immer sehr gut gefallen haben. Und ich freue mich über diesen Kommentar von Dir, auch wenn Dir dieser Artikel anscheinend nicht so gefallen hat. Aber – Würde ich wirklich einen guten Job machen, wenn Dir alle meine Artikel gefallen? 🙂

      Antworten
  3. Danke für diesen Beitrag. Ich trainiere auch hauptsächlich für die Performance, die Optik kommt dann ja zwangsläufig von allein. Aber ich kenne so Viele, die viel trainieren, nur für den Spiegel und dann wenn es um Leistung abseits der geführten Fitnesstudiomaschine nichts mehr auf die Reihe bekommen. Cheers!

    Antworten

Schreibe einen Kommentar